Sobald Sie Ihre Nachlassplanung in Angriff nehmen, stellt sich die Frage, welche Personen gesetzlich in welcher Reihenfolge und in welchem Umfang Anspruch auf Ihr Vermögen haben. Nachfolgend finden Sie die wichtigsten Regelungen und Beispiele.
Kurz zusammengefasst
- Die gesetzliche Erbfolge greift automatisch, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorliegt und ist im Zivilgesetzbuch (ZGB) festgelegt.
- Wer von der gesetzlichen Abfolge abweichen möchte, kann dies nur im Rahmen der Pflichtteilsbestimmungen tun.
- Unverheiratete Lebenspartner ohne eingetragenes PartnerschaftsverhĂ€ltnis haben keinen Anspruch, sofern nichts schriftlich verfĂŒgt ist.
Was bedeutet gesetzliche Erbfolge?
Ohne eine letztwillige VerfĂŒgung (Testament oder Erbvertrag) greifen automatisch die Bestimmungen des ZGB. Diese ordnen Verwandte in verschiedenen Stufen (âParentelenâ) und legen fest, wer in welcher Rangfolge erbt. Entscheidend ist allein das VerwandtschaftsverhĂ€ltnis, nicht persönliche NĂ€he.
Um spĂ€tere Streitigkeiten zu vermeiden, sollten Sie frĂŒhzeitig klĂ€ren, ob die gesetzliche Reihenfolge Ihren WĂŒnschen entspricht â andernfalls empfiehlt sich eine entsprechende VerfĂŒgung.
Das Parentelprinzip â Wer erbt in welcher Reihenfolge?
Interaktive Darstellung der gesetzlichen Erbfolge
- Kinder (inkl. adoptierte)
- Enkel, Urenkel â treten an Stelle verstorbener Kinder
- Schliessen alle anderen Erben aus
- Eltern je zur HĂ€lfte
- Stirbt ein Elternteil: dessen Nachkommen (Geschwister des Erblassers)
- Grosseltern beider Linien
- Tanten, Onkel, Cousins usw.
- Immer beteiligt â Anteil abhĂ€ngig von Parentel
- Mit Kindern: 50âŻ%
- Mit Eltern/Geschwister: 75âŻ%
- Ohne andere Erben: 100âŻ%
- Kinder & Ehegatten: Pflichtteil = œ
- Eltern: kein Pflichtteil mehr
- Mehr freie Quote fĂŒr individuelle VerfĂŒgungen
Erste Parentel â Abkömmlinge (Art. 457 ZGB)
In erster Linie erben die direkten Nachkommen zu gleichen Teilen. Stirbt ein Kind vor, treten dessen Nachkommen (Enkel, Urenkel) an dessen Stelle und teilen den Teil entsprechend auf.
Zweite Parentel â Eltern und deren Nachkommen (Art. 458 ZGB)
HinterlĂ€sst die verstorbene Person keine Abkömmlinge, erben die Eltern jeweils zur HĂ€lfte. Ist ein Elternteil nicht mehr am Leben, rĂŒcken dessen Kinder (Geschwister des Erblassers) in dessen Anteil nach.
Dritte Parentel â Grosseltern und deren Nachkommen (Art. 459 ZGB)
Ohne Abkömmlinge und ohne Eltern kommt das Erbe den Grosseltern beider Seiten zugute. Lebt nur eine Seite noch, fÀllt die gesamte Hinterlassenschaft an deren Abkömmlinge.
Fehlen sÀmtliche gesetzliche Erben, fÀllt der Nachlass an das Gemeinwesen am letzten Wohnsitz.
BerĂŒcksichtigung von Ehe- und eingetragenen Partnern
Ehegatten und eingetragene Partner werden ebenfalls einbezogen:
- Mit Kindern teilen sie sich die HĂ€lfte des Nachlasses.
- Mit Erben der elterlichen Linie gemeinsam erhalten sie drei Viertel.
- Sind weder Abkömmlinge noch Verwandte aus der elterlichen Linie vorhanden, erben sie allein.
Unverheiratete Konkubinatspartner haben keinen gesetzlichen Anspruch, es sei denn, dies ist testamentarisch festgelegt.
Erbe mit Kindern
- Ehe- oder eingetragener Partner erhÀlt 50 % und teilt sich den Rest mit den Kindern.
- Unverheiratete Partner ohne Eintrag gehen leer aus und das Erbe fÀllt allein den Kindern zu.
Erbe ohne Kinder
- Ehe- oder eingetragener Partner bekommt 75 %, die ĂŒbrigen 25 % teilen sich Eltern, Geschwister oder deren Nachkommen.
- Konkubinatspartner bleiben unberĂŒcksichtigt; ohne nahe Verwandte fĂ€llt das Erbe an Kanton oder Gemeinde.
Beispiele zur Verteilung
Angenommen, ein Nachlass betrÀgt 150 000 CHF und es existiert kein Testament:
Beispiel 1
- Ehefrau und Tochter: je 50 % (75 000 CHF).
- Bruder ohne Anspruch.
Beispiel 2
- Eingetragener Partner: 75 % (112 500 CHF).
- Mutter: 12,5 % (18 750 CHF).
- Schwester: 12,5 % (18 750 CHF).
Beispiel 3
- Sohn: 100 % (150 000 CHF).
- Lebenspartnerin und Vater ohne Anspruch.
Gestaltungsmöglichkeiten
Wer von der gesetzlichen Erbfolge abweichen möchte, kann dies nur ĂŒber einen Erbvertrag oder ein Testament tun. Schenkungen zu Lebzeiten und ErbvorbezĂŒge bieten zusĂ€tzliche FlexibilitĂ€t.
Erbvertrag
Im Erbvertrag einigen Sie sich verbindlich mit Ihren Erben auf Art und Umfang der Verteilung. Eine Anpassung oder Auflösung erfordert stets Zustimmung aller Beteiligten.
Erbverzicht
Pflichtteilsberechtigte können auf ihren Anteil verzichten, z. B. weil sie bereits zu Lebzeiten unterstĂŒtzt wurden. Einmal verzichtet, entfĂ€llt ihr Anspruch endgĂŒltig.
Verpflichtungen
Sie können sich verpflichten, bestimmte Vermögenswerte an bestimmte Personen oder Organisationen zu ĂŒbertragen â etwa das Familienheim.
Testament
Im Testament legen Sie individuell fest, wie Ihr Vermögen verteilt wird, soweit dies nach Pflichtteilsrecht zulÀssig ist:
- Verteilung unter gesetzlichen Erben nach Ihren Wunschanteilen.
- Zuwendungen an Personen oder Institutionen ausserhalb der gesetzlichen Erben.
- Zuordnung einzelner Vermögenswerte (z. B. Kunst, Immobilien).
- Festlegung von Bedingungen fĂŒr die Erben (z. B. Familienweitergabe).
Schenkung & Erbvorbezug
Schenkungen zu Lebzeiten können Teil Ihres Nachlasses vorwegnehmen. Beachten Sie dabei, dass im Erbfall Ausgleichspflichten greifen, um die Pflichtteile zu wahren.
PflichtteilsbeschrÀnkungen
Seit der Teilrevision 2023 können Sie innerhalb der Pflichtteilsgrenzen freier verfĂŒgen. Der Pflichtteil betrĂ€gt grundsĂ€tzlich die HĂ€lfte des gesetzlichen Erbanspruchs.
- Erblasser mit Abkömmlingen oder Partner darf bis zu 50 % frei verteilen.
- Ohne solche Hinterbliebenen kann das gesamte Vermögen testamentarisch zugewandt werden.
- Mit Ehepartner/in und Kindern verbleiben 50 % frei disponibel.
- Mit nur Elterngeneration liegt der frei verfĂŒgbare Anteil bei 100 %.
Personen ohne vollstÀndigen Ausschluss
Ehepartner, eingetragene Partner und direkte Nachkommen können nicht vollstÀndig enterbt werden. Sie können jedoch:
- die Erbschaft ausschlagen,
- auf die Anfechtung eines pflichtteilsverletzenden Testaments verzichten,
- einen Erbvertrag mit Pflichtteilsverzicht abschliessen.
Vorausschauende Planung lohnt sich
Beginnen Sie rechtzeitig mit Ihrer Nachlassgestaltung und prĂŒfen Sie, ob Testament oder Erbvertrag Ihre Ziele besser umsetzen. FĂŒr komplexe FĂ€lle sollten Sie eine:n spezialisierten RechtsanwĂ€lt:in hinzuziehen.
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Bitte ziehen Sie fĂŒr eine verbindliche Beurteilung und Vertretung unbedingt einen qualifizierten Rechtsanwalt hinzu.